Heinz-Magazin
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Die Verkrüppelung der Kunst
Thomas Bernhards "Die Berühmten" im Bochumer Schauspielhaus
Von Tina Dürhager


Lautes, ansteckendes Gelächter begleitet das Öffnen des Vorhangs in den Bochumer Kammerspielen. An einer langen Tafel sind sie komplett versammelt: die Berühmten aus Thomas Bernhards gleichnamigen Stück. Allesamt Vertreter der Kunst umgeben sie sich mit ihren noch berühmteren Vorbildern: dem Bassisten Richard Mayr, dem Tenor Richard Tauber, der Sopranistin Lotte Lehmann, dem Schauspieler Alexander Moissi, der Schauspielerin Helene Thimig, dem Regisseur Max Reinhardt, dem Dirigenten Arturo Toscanini, der Pianistin Elly Ney und dem Verleger Samuel Fischer. So sitzt neben jedem Berühmten die Puppe, in der Inszenierung von Bettina Fless wurden daraus Skelette, eines noch Berühmteren.

Zum 200. Mal hat der Bassist den Ochs im Rosenkavalier gegeben. Das bietet Anlaß zu einer Feier gerade rechtzeitig, zur Festspielzeit in seinem Schloß,. das nicht ganz zufällig oberhalb von Salzburg liegt. Man unterhält sich, so wie es sich für berühmte Künstler gehört, weniger über die Kunst als über die Künstler. Man plaudert aus dem Nähkästchen, denn schließlich kennt man sich aus in der Szene. Der Gastgeber (Rainer Hauer) bestimmt die Situation, wobei er sich immer wieder der Aufmerksamkeit seiner Gäste versichert. Man hält sich für die Größten und hat doch eigentlich nichts zu meiden. Am deutlichsten zeigt der novaliszitierende Verleger (Manfred Böll) diesen Zustand der eigenen geistigen Mittelmäßigkeit auf: "Nur ein Künstler kann den Sinn des Lebens erraten." "Novalis nehme ich an." "Natürlich Novalis, wer sonst."

In dieses Geplänkel um Kunst und Geist, amüsant ist die lang ausgeführte These über die Verkrüppelung des Genies, bricht am Ende der Bankettszene, kurz vor der Pause Martina Krauel als Sopranistin und Lebensgefährtin des Barons: Betrunken und gereizt inszeniert sie den Tod der Vorbilder, die im zweiten Teil als Bilder die Wände zieren werden.

Thomas Bernhards "Die Berühmten - ist eine Salve aus Haß und Verachtung in Richtung Kunst Politik und Gesellschaft. Mit absurden Dialogen und durch die fast karikierende Zeichnung der Figuren verdeutlicht er die Borniertheit, Dekadenz und Belanglosigkeit der traditionellen Kunstszene: Man klagt und jammert über den Zustand der Kunst. die sich immer mehr am schnöden Mammon orientiert. Daß die Kläger dabei selber Teil des von ihnen kritisierten Apparates sind. verstärkt Bernhards Kritik. Spätestens in der Pause wird klar, daß die Dialoge auf der Bühne nur die kommunikative Realität eines intellektuellen Theaterpublikums widerspiegeln. Zufall? In einer mathematisch vollkommen ausgeklügelten Welt, die dazu auch noch durch und durch die Natur ist. kann es keinen einzigen Zufall geben," so die Meinung des Regisseurs.


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