Sonntagsnachrichten
29. Januar 1995

Bernhards "Die Berühmten":
Opus magnus, naturgemäß
von: ph


Ein Bassist (Rainer Hauer), mittlerweile wohlhabender Baron, die Geschichte spielt, man merkt's sofort, in felix Austria, feiert den zweihundertsten "Ochs" im "Rosenkavalier". Und das in Gesellschaft nicht nur seiner berühmten Freunde, sondern auch deren noch berühmterer Vorbilder. Wie Tauber, Lehmann, Moissi oder Reinhardt.

Man speist und trinkt an der langen Salzburger "Jedermann" Tafel, philosophiert über die Kunst und das Leben. Am Ende platzt die betrunkene Sopranistin (Martina Krauel), Freundin des Gastgebers, herein. Sie gibt den Anstoß zu einer orgiastischen Aggressionsentladung: die Büsten der längst verstorbenen Größen einstiger, naturgemäß besserer Tage werden zerdeppert.

Am anderen Morgen geht die Konversation auf Kantinenklatschniveau in der Salzburger Villa, als deren Vorbild unschwer Reinhardts Schloß Leopoldskron erkennbar ist (Bühne: Nikol Voigtländer), weiter. Dumme, bornierte Gestalten, die schließlich zu Tierköpfen mutieren, aus denen nur noch animalische Laute dringen.

"Die Berühmten", Thomas Bernhards Abrechnung mit den Salzburger Promi-Festspielen, aber auch pro domo mit dem etablierten Subventions‑Kulturbetrieb generell, hat Bettina Fless jetzt, programmatisch zum Ende der Steckel-Ara, an den Bochumer Kammerspielen inszeniert.

Ihr Versuch, Thomas Bernhards Schlüsselwerk von der zeitbezogenen Salzburg-Satire auf eine allgemeine, zeitlose Ebene zu hieven, ist zumindest nicht mißlungen. In seiner Parodie auf das klassische Fünf-Akte-Drama mit zwei Vorspielen, zwei Szenen und dem Tierstimmen-Finale, setzt Thomas Bernhard seinem Bestiarium allegorische Masken auf.

Bettina Fless, die ihre Inszenierung auch als kritischen Rückblick ihrer eigenen Tätigkeit an der "Kö" versteht, hat in knappen drei Stunden die Gesellschafts- und Künstlersatire nicht zur Karikatur ausufern lassen: sie nimmt jede Figur und jede Erregung ernst, verlangt vom Zuschauer höchste Konzentration ab.

Die Berühmten", 1976 in Wien uraufgeführt und bereits im Jahr darauf von Günther Wille an der Unibühne Bochum in Deutscher Erstaufführung herausgebracht, leben weniger von der Bühnenhandlung als von den gewaltigen Wortkaskaden Bernhards, die sich, durch ständige Wiederholungen, gegenseitig hochschaukeln, spiralenförmig bis zur absurden Monstrosität. Das verlangt ein hochmotiviertes Ensemble. In Bochum ist es zu sehen, wieder am 1. und 2. Februar jeweils um 19.30 Uhr.


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