Westfälische Allgemeine
Zeitung (WAZ)
30. 1. 1995
Gastmahl der Eitelkeit
"Die Berühmten " von Thomas
Bernhard in Bochum
von Werner Streletz
Wer wußte das schon?
Thomas Bernhard schrieb die Berühmten"
als; galligen Kommentar auf die Salzburger Festspiele. Alles dreht sich um sich
selbst, die Kulturheroen schmieren sich unentwegt Honig um den Mund. Sie haben
sich an langer Abendmahlstafel zusammengefunden: Der Regisseur, der
Kapellmeister, die Pianistin, der Tenor und andere aus der kulturellen
Edelkaste. Der Anlaß für das opulente Fasanenessen: Der schwergewichtige
Bassist, ein Baron, will in seinem Sommersitz seinen 200. Auftritt als Ochs im
"Rosenkavalier" feiern.
Neben den Gästen sitzen die
jeweiligen Vorbilder, Samuel Fischer neben dem Verleger und Elley Ney neben der
Pianistin. Doch ach, die Idole haben sich schon zu Skeletten verschlankt,
grinsen unverwandt, als wär's ein morbider Kommentar zur Selbstbespiegelung der
Speisenden. Und die barocke Pracht des Landsitzes ist zu billigem Gips verkommen
(Bühne: Nikol Voigtländer).
Der verbale Rundumschlag ist
vollkommen. Er läßt an der Runde kein gutes Haar. Und die wehrt sich nicht.
Erst die betrunkene Sopranistin (überzeugend blaublütig: Martina Krauel), die
schlagkräftig ihr Totenkopf-Vorbild zerstört scheint kurz Hellsicht zu
bringen, denn auch die anderen dreschen jetzt auf ihre knöchernen Tischnachbarn
ein. Doch bald plustern sich die grotesken Grandiositätsmacken weiter auf. Zum
Schluß sind die Gäste als Tier entlarvt, ihre Seele wird unentdeckt bleiben.
"Die Berühmten"
besitzen besitzen nicht die böse Bitterkeit produktiven Ekels anderer
Bernhard-Stücke, streifen in der Typenzeichnung eher die Satire. Die junge
Regisseurin Bettina Fless hat den tragikomischen Ringelreihen der Selbstüberschätzung
denn auch mit leichter Hand inszeniert, ihn nur behutsamer, tiefer ausgelotet.
So überkommt den Bassisten
Rainer Hauer raunzend und jammervoll selbstgewiß ein fast anrührender
Katzenjammer. Der Verleger von Manfred Böll treibt sich selbst in die Karikatur
hinein, und der Kapellmeister von Georg-Martin Bode poliert mit gepresster
Emphase seine Lebenslüge. Die meisten anderen Rollen sind nahezu Schweigerollen
- der Künstler und somit der Mensch als sich spreizender Pfau. Und als Krüppel,
naturgemäß.