Frankfurter Allgemeine Zeitung
31. Januar 1995
von Andreas Rossmann
Totentanz der Vorbilder
Thomas Bernhards späte Rückkehr: "Die Berühmten"
in Bochum
In den goldenen Zeiten von Claus Peymamm war Thomas Bernhard
so etwas wie ein Hausautor in Bochum. Von "Vor dem Ruhestand" (1979)
bis zum "Theatermacher' (1984) wurden alle seine Stücke am Schauspielhaus
aufgeführt - sieben in sieben Jahren, Das konnte und wollte Frank-Patrick
Steckel. in Sachen Gegenwartsdramatik ohnehin überaus reserviert, nicht
fortsetzen. Erst in dieser, seiner neunten und letzten Spielzeit nahm er ein
Werk des 1989 verstorbenen Schriftstellers ins Repertoire. und das war kaum
zufällig ein frühes und selten gespieltes: "Die Berühmten", 1976 in
Wien uraufgeführt.
In dem barockisierenden Stuck, mit dem Nikol Voigtländer den
Sommersitz des gastgebenden Bassisten dekoriert hat, unterläuft der jungen
Regisseurin manche Unstimmigkeit: ‑So geht der Auftritt der Sopranistin
"voll" daneben, und der Kapellmeister scheint, nur wenn er davon
spricht, unter Rückgratschmerzen zu leiden. Doch bewegt die Inszenierung da
Künstlerdrama so leichtfüßig und sprachlich derart geschliffen auf dem schmalen
Grat zwischen Amüsement und Bosheit daß sie mit der Harmlosigkeit des Text
kokettiert~ Diese wird mitbespöttelt Uli( im Lachen darüber erträglich.
Die reflektierte Heiterkeit und heitere Reflexion sind um so
erstaunlicher, als sie mit Darstellern zustande kommen, von denen die meisten
bisher mit kleineren Auf gaben kurzgehalten wurden. Rainer Haue als
breitbeiniger Bassist, der gerade den "zweihundertsten Ochs" von
Lerchenau im "Rosenkavalier" gesungen hat, bläst sich zu einem
röhrenden Hirsch der Selbstfeier auf, Manfred Böll trifft den Verleger mit
trockener Pedanterie, Nikol Voigtländer den Regisseur mit biederem Habitus und
die Pianistin und die Schauspielerin vergnügen sich. weil sie als Frauen
sowieso fast nichts zu sagen haben, mit einem les, bisschen "Tete- a- tete".
So könnten sie, und damit entwickelt die Aufführung doch noch eine Analogie zum
Stück, fast selbst zu Vorbildern werden.