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Eine Schauspielerin hat das erste Stück zum Abtreibungsprozeß geschrieben. Bettina Fless hat kein dokumentarisches, kein Thesentheater auf die Bühne
gebracht. Im Zentrum ihres Stücks stehen fünf Geschichten. Die
unterschiedlichen Wege unterschiedlicher Frauen mit einem Ziel: Jürgen Berger Bettina
Fless, Schauspielerin am Nationaltheater Mannheim, hat ein Stück
geschrieben, das mit dem Gericht ins Gericht geht, das die Lebenssituationen
betroffener Frauen (und Männer) beleuchtet und die Not, das Leid und die
Verzweiflung individuell sicht- und nachfühlbar macht, die ungewollte
Schwangerschaft wie Abtreibung mit sich bringen. Sein vielsagender Titel: Memmingen“ Gemeinsam mit dem Triebtheater“, einer seit einem Jahr bestehenden Freien
Theatergruppe aus Ludwigshafen, haben Bettina Fless als Autorin und Regisseurin
und die Kostümbildnerin Eva Weber aus Frankfurt im Bühnenbild von Christian
Bizer, einer vortrefflich kalt-sterilen Kachelwand-Kulisse, das Stück im
Werkhaus-Studio des Nationaltheaters Mannheim ungemein eindrucksvoll in Szene
gesetzt. Sinnvoll der Aufbau des Stückes: Diese Problematik bringt Bettina Fless mit nicht weniger als 28 Mitwirkenden (zum Teil in mehreren Rollen) wie ein Puzzle auf die Bühne, das sich, nach und nach und folgerichtig, zu einem Bild von hohem Realitätsgehalt zusammenfügen Alle, die an dieser am Premierenabend mit schier
nichtendenwollendem Beifall aufgenommenen Inszenierung beteiligt waren, haben. Profis
wie ,,Laien, eine Ensembeleistung erarbeitet, die sich sehen lassen kann. Irene Lemke-Stein Vier Monate ist es her, daß das Urteil von Memmingen gegen den Arzt Horst
Theissen verkündet worden ist: Zweieinhalb Jahre Haft wegen illegaler Abtreibung und Berufsverbot als Gynäkologe für drei Jahre. Für
die Autorin Bettina Fless eine Herausforderung, ein Stück zu schreiben über
das, was auch in dem Prozeß verhandelt worden ist: das Schicksal der Frauen, die dort als Zeuginnen vorgeführt wurden. Mit dem
Ensemble des Ludwigshafener Triebtheaters hat sie ihr ,,Memmingen“ inszeniert
und jetzt auf der Studiobühne des Mannheimer Nationaltheaters uraufgeführt. Bettina
Fless setzt auf Gefühle. Ihr ,,Memmingen“ ist eine Absage an jeden, der den
Frauen die Schuldfrage stellen will. Eine Inszenierung aus dem Bauch heraus,
für die das Premierenpublikum kräftigen Applaus spendierte. Beifall gab es auch von Horst
Theissen, Ehrengast in der Mannheimer
Studiobühne.,, Das Stück hat mich betroffen
gemacht“, so der spontane Kommentar nach der
Vorstellung. Ursula Hosselrnann |
Die wohl bedrängendste Szene des Abends spielt im Krankenhaus. Hier warten,
in einem großen Pritschenraum, die Frauen auf ihre Operation, hier ruhen sie
sich nach vollzogener Abtreibung aus. Fünfundzwanzig Minuten dauert diese Szene, in der kaum ein Wort gesprochen
wird, keine Sekunde verliert sie an Spannung. Hier wird deutlich, was
furchtbare Juristen in Memmingen, über ihre extensiv ausgelegten Paragraphen
gebeugt, nicht begriffen haben: daß hinter jeder Abtreibung die Last einer
schweren Entscheidung steht. Nicht zuletzt in der emotionalen Kraft und
Unmittelbarkeit dieser Szene zeigt sich das Theater all den schnellen Medien
haushoch überlegen. Es erzählt von heutigen Menschen — mit Geschichten von heute. Eckhard Franke Das Publikum in Mannheim feierte die Uraufführung frenetisch und belohnte
damit das ansteckende Engagement des
17-köpfigen Ensemble vom
Ludwigshafener Triebtheater ebenso
wie den immensen Fleiß und Anspruch der Mannheimer Schauspielerin Bettina Fless,
die für und wegen "Memmingen“ erstmals zur Feder gegriffen haben. Barbara Hell . Kein Dramatikprofi, sondern ein Jugendtheaterklub um die Mannheimer
Schauspielerin und Regisseurin Bettina Fless hat sich jetzt dieses Stoffes
angenommen. Die Laiengruppe, eine engagierte und berührende Schar
Zwanzigjähriger,
probierte sich in unterschiedlichen Stilmitteln. Der pathetisch-dramatische
Entwurf stand in diesem Szenenreigen dicht neben der Parodie; leise,
seelenvolle Momente neben kabarettistischen Einlagen, In denen sie der
doppelten Moral dieser Gesellschaft den Spiegel vorhielten. Eckhard Franke So prompt reagiert Theater selten auf aktuelles Geschehen wie Autorin und Regisseurin Bettina Fless. Provoziert durch den ,,Abtreibungsprozeß“ gegen den Frauenarzt Dr. Horst Theissen und die Verfahren gegen zahlreiche seiner Patientinnen. schrieb sie das Stück ,,Memmingen und inszenierte es mit dem Ensemble des ,,Triebtheater Ludwigshafen“. Die Premiere im ausverkauften Werkhaus-Studio des Mannheimer Nationaltheaters fand begeisterte Zustimmung beim Publikum Eva
Ehret Die collagenhafte Szenenfolge und der weitgehende Verzicht auf längere zusammenhängende Textpassagen weist die Aufführung In erster Linie als
engagierte Gruppenarbeit aus, die, wenn sie doch ein
wenig auseinanderzudriften droht, von Christian Bizers alles Naturalistische
meidendem Bühnenbild und einer professionellen Theatertechnik zusammengehalten
wird. Dietrich Wappler |